„Incoterms spiegeln den Kundenservice, den ich erbringe“

Die Schweizer Zollexpertin Claudia Feusi rät Handelsunternehmen, die Incoterms zu einem festen Bestandteil ihrer Marketingstrategie zu machen und sie als Instrument für guten Service zu nutzen.

Unternehmen, die mit den Incoterms arbeiten, sollten die Klauseln zu einem festen Bestandteil ihrer Marketingstrategie machen, rät die Schweizer Zollexpertin Claudia Feusi: „Ich spiegele mit den Incoterms den Kundenservice, den ich erbringe. Wer sie von Anfang an mitdenkt und in die strategische Ausrichtung einbezieht, nutzt damit wertvolle Chancen.“ Feusi führt das Beratungsunternehmen ZFEB+ Customs & Trade Consultants und begleitet Schweizer Firmen auf dem Weg zu professionell abgewickelten Export-, Import- und Zollprozessen. Zudem ist sie Mitglied von ICC Switzerland sowie des nationalen Drafting Teams. „Die Incoterms werden in der Regel dem Kunden gegenüber erst bei der Vertragsgestaltung thematisiert, dabei sollte das meiner Meinung nach viel früher passieren“, erklärt sie.

Transparenz und klare Handlungsanweisungen

Die Vorteile liegen ihrer Ansicht nach auf der Hand: „Man kann top down einen transparenten Kundenservice leben, vermeidet Missverständnisse und gibt den Mitarbeitern klare Handlungsanweisungen. Gerade im Reparaturprozess, wo oftmals extremer Mehraufwand anfallt, reduziert das unnötige Arbeitsschritte, spart Zeit, Ressourcen und Kosten.“ Wenn Feusi Unternehmen auf dem Weg zu solch einer Ausrichtung begleitet, versucht sie, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen: Geschäftsleitung, Einkaufsleitung und Vertreter aus dem Verkauf – aus dem Innendienst wie auch dem Außendienst.

Beim Außendienst erlebe sie es erstaunlicherweise selten, dass der sich intensiv mit den Incoterms befasst; meist übernehmen das ihrer Erfahrung nach der Innendienst und die Vertragsabteilung. „Dabei können gerade die Mitarbeiter im Verkauf die Vorteile gegenüber Wettbewerbern verdeutlichen, wenn sie selbst ausreichend Wissen zu den Incoterms und deren Schnittstellenthemen haben.“ Und auch wenn die Anwendung der Incoterms nicht mehr formell in die Strategie eines Hauses aufgenommen wird, könne eine nachträgliche Anpassung auf operativer und vertragsrechtlicher Ebene schon sehr viel bewirken, ist die Expertin überzeugt.

„Incoterms sparen Zeit, Kosten, Nerven und Ressourcen“

Für Feusi stellen die Incoterms eine massive Vereinfachung im Warenverkehr dar, die viele Fragestellungen schneller beantworten: „Sie sparen Zeit, Kosten, Nerven und Ressourcen – bis in die unterste Stufe der Ablauforganisation, also durch die gesamte Wertschöpfungskette.“ Die Expertin selbst ist seit Jahrzehnten täglich mit den Incoterms in Kontakt: „Das Handbuch war bereits in meiner Ausbildung bei der schweizerischen Zollverwaltung Thema, da es direkt oder indirekt Einfluss auf die Zollwertermittlung hat.“ In verschiedenen Stationen ihrer Karriere hat sie dann aus der Perspektive von Transport und Logistik erlebt, wie die Spediteure damit umgehen, und auf der Industrieseite ebenso gesehen, wie vertragsrechtlich damit gearbeitet wird.

Die Spannbreite sei schließlich groß: Wer „ab Werk“ (Ex Works, EXW) anbiete, erbringe nur einen minimalen Service und überlasse viele Aufgaben und Formalitäten dem Kunden. „Wenn ein Unternehmen in seinem Leitbild von sich behauptet, dass es Qualität und Kundenservice in den Vordergrund rückt, dann aber ‚Ex Works‘ in seine Verträge schreibt, ist der Kunde zurecht unzufrieden.“ „DDP“ wiederum, also Delivered Duty Paid (geliefert Zoll bezahlt), stehe dagegen für maximale Leistung, die aber auch nicht immer zielführend sei. Daher betont Feusi: „Die verwendeten Incoterms sollten einfach mit der Marketingstrategie übereinstimmen.“

Internen Workflow festlegen

Ein Risiko birgt dies aber auch: „Ich erlebe es oft, dass eine Firma, die sich einmal für eine Strategie in puncto Incoterms entschieden hat, dann sehr stark schwarz-weiß denkt und nur noch bestimmte Klauseln anwendet. Das ist natürlich nicht nötig, sondern die Flexibilität kann erhalten bleiben.“ Was den Arbeitsalltag intern sicher erleichtere, sei eine grundsätzliche Zuordnung der Incoterms nach Ländern und Geschäftsfeldern – aber diese muss eben immer Spielraum für individuelle Entscheidungen bieten.
„Man sollte im Unternehmen entscheiden, wie man mit den Klauseln umgehen will, dann einen internen Workflow festlegen, mögliche Risiken evaluieren und Worst-Case-Szenarien mit den entsprechenden Lösungen aufbauen, um im Konfliktfall schnell reagieren zu können.“ Zur Entwicklung eines internen Incoterms-Leitfadens im Unternehmen gehöre auch, eventuell nötige Reparaturen mitzudenken: „Es sollte festlegt werden, welchen Kundenservice man erbringen kann und möchte, um beispielsweise passende Klauseln für die Retoure von einzelnen Komponenten festzulegen. So ist man vorbereitet und dem Kunden gegenüber immer schnell auskunftsfähig.“

Klauseln in der Verhandlungsführung nutzen

Feusi empfiehlt grundsätzlich, die Klauseln in der Verhandlungsführung mit Kunden aktiv zu nutzen: „In der Regel wird ja mindestens ausgehandelt, wer die Kosten für den Transport übernimmt.“ Wenn der Kunde beispielsweise möchte, dass eine Lieferung bis zur Haustür gebracht wird, der Verkäufer aber die FCA-Klausel, das heißt „Free Carrier“ (frei Frachtführer) vorsieht, könnte beispielsweise eine C-Klausel zu den „Costs“ ein idealer Kompromiss sein: Der Verkäufer könnte anbieten, dass er den Transport bis vor die Haustür des Käufers organisiert und den damit verbundenen Aufwand mit seinem eigenen Transportpartner leistet. Dieser würde dann gegebenenfalls auf Wunsch des Käufers hin die Importformalitäten erledigen. Bei Bedarf könnten die Importformalitäten sogar mit einer sogenannten EU-Verzollung vereinfacht werden. Der Kunde hätte somit keine Arbeit mit der Organisation des Transports, würde aber die anfallende Leistung zahlen – alles tolle Verkaufsargumente.

Es bleibt in jedem Fall, je nach Geschäftsfall und Gesprächspartner, die Risikoübernahme zu klären. Hier kann der Verkäufer anbieten, einzelne Risiken über seine eigene, bereits bestehende Versicherung abzudecken. So verkauft er gleich noch eine Versicherungsleistung mit, die weiteren Preisverhandlungsspielraum zulässt. „Viele haben Hemmungen, die C-Klauseln anzuwenden; dabei sind sie eigentlich ideal und können für beide Parteien eine Win-win-Situation ergeben. Um das bewusst zu machen, sollte man es aktiv ansprechen. Dafür sind jedoch vertiefte Kenntnisse über die einzelnen Klauseln nötig.“

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