„Das Handbuch ist die einzige offizielle und verlässliche Quelle.“

Die Incoterms® setzen weltweit gültige Standards zu den Lieferbedingungen und tragen dadurch zu mehr Rechtssicherheit in internationalen Kaufverträgen bei – wenn sie korrekt angewendet werden. In der Praxis ist das leider häufig noch nicht der Fall. Peter Poleacov, Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht und ICC-zertifizierter Incoterms® Trainer, erklärt, wie sich das ändern kann.
In über 90 Prozent der international abgeschlossenen Kauf- und Lieferverträge werden Incoterms® verwendet. „Allerdings werden häufig unpassende Klauseln verwendet, was zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen und rechtlichen Risiken für die Beteiligten führen kann“, sagt Peter Poleacov. „Und das liegt nicht an den Incoterms® selbst, sondern daran, dass die Marktakteure den Anwendungsbereich, die Wirkung und die Reichweite der jeweiligen Incoterms® Klausel nicht immer in Detail kennen.“ Der Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht ist ICC-zertifizierter Incoterms® Trainer. Die Ursachen für die falsche Verwendung sieht er darin, dass viele Anwender sich nicht hinreichend mit den im Handbuch dargestellten Auslegungsregeln der ICC auseinandersetzen. „Rechtssichere Verträge setzen voraus, dass die Vertragspartner die Spielregeln bestens kennen“, so Poleacov. Die Neuerscheinung der Incoterms® 2020, die seit 1. Januar 2020 gelten, sieht er als Chance, das Problembewusstsein der Anwender zu erhöhen. „Wirklich alle, die Incoterms® nutzen – auch wenn sie schon viel Erfahrung damit haben – sollten sich noch einmal eingehend mit den einzelnen Auslegungsregeln beschäftigen.“

Das Ziel der Incoterms® ist es, mehr Rechtssicherheit zu schaffen, indem sie den Akteuren im Markt helfen einzuschätzen, welche Klauseln im Einzelfall passend sind. „Das neue Handbuch enthält eine lesenswerte Einführung von 20 Seiten Umfang, die den Anwendern nicht nur die Grundlagen, sondern auch die bestmögliche Vorgehensweise zur Auswahl der passenden Incoterms® Klausel vermittelt“, so Poleacov. „Darüber hinaus bietet das Handbuch zu jeder Incoterms® Klausel einen erläuternden Kommentar mit Formulierungsbeispielen, Hinweisen und Visualisierungen. Dieser Kommentar ist eine weitere Unterstützung für die Anwender, damit diese im Einzelfall die passendere Klausel aussuchen können.“

Besonders kritisch: Änderungen einzelner Incoterms® Klauseln und die „Klassiker“ DDP und EXW

Vertragliche Änderungen die einzelnen Incoterms Klauseln sind zwar grundsätzlich möglich. „Um unnötige Diskussionen oder sogar einen Rechtsstreit zu vermeiden, sollten sich die Vertragsparteien aber in solchen Fällen mit den rechtlichen und praktischen Konsequenzen der gewünschten Änderungen näher befassen und die beabsichtigte Wirkung einer solchen Änderung vollständig und präzise in ihrem Vertrag regeln“, betont Poleacov.

Besonders kritisch sei auch der Einsatz der Klauseln „DDP“ und „EXW“: „Sie sind eher für nationale Geschäfte bzw. Geschäfte im EU-Ausland gedacht – wenn überhaupt“, sagt Peter Poleacov. „Die Vereinbarung von DDP führt oftmals zu Schwierigkeiten in Hinsicht auf Zoll- und Steuerrecht, ohne dass das den Vertragsparteien bewusst ist. Das gilt insbesondere für grenzüberschreitende Kaufverträge, wo eine Export- und Importabwicklung vorgesehen ist.“ In den neuen Incoterms® 2020 wird deshalb noch einmal explizit darauf hingewiesen.

„Zudem müssen sich die Vertragsparteien klarmachen, dass die Verwendung einer Incoterms® Klausel zwar wichtige Aspekte, wie den Gefahrübergang, die Transportkosten und das Transportrisiko, regelt. Weitere vertragliche Aspekte (z.B. Gewährleistungsrechte, Haftung, Rechtswahl, Streitbeilegung etc.) sowie gesetzliche und behördliche Vorgaben müssen aber auch von den Vertragsparteien berücksichtigt und im richtigen Kontext gesetzt werden. Die Incoterms® ersetzen daher keine Rechtsberatung durch spezialisierte Rechtsanwälte.“

Weiterhin sehen beispielsweise die zwei Klauseln CIP und CIF zwingend einen Versicherungsschutz vor. Der Verkäufer ist demnach verpflichtet, einen Versicherungsvertrag abzuschließen: „Vielen Unternehmen ist aber nicht klar, dass einige Länder zum Beispiel die gesetzliche Vorgabe machen, dass die Versicherungen zwingend bei einem inländischen Versicherungsunternehmen abgeschlossen werden müssen.“

Auslegungsregel neu formuliert und strukturiert

Mit den drei Buchstaben, die Nutzer bei der Verwendung einer Klausel in einen Vertrag einsetzen, machen sich die beiden Vertragspartner sehr viel zu eigen, erläutert der Experte weiter: „Sie übernehmen diese Klausel mit all den Pflichten und Rechten, die damit einhergehen. Je besser also im Handbuch erklärt wird, welche Rechte und Pflichten mit einer Klausel verbunden sind, umso einfacher macht man es natürlich auch den Anwendern für sich zu entscheiden, welche Klausel im Einzelfall die passende ist.“ Seiner Ansicht nach schaffen die Incoterms® 2020 das noch deutlich besser als ihre Vorgängerin, das Regelwerk aus dem Jahr 2010. „Das macht sich auch inhaltlich bemerkbar, weil zum Beispiel die Auslegungsregeln, also die Pflichten des Verkäufers in A1 bis A10 und die Pflichten des Käufers in B 1 bis B10, neu formuliert und neu strukturiert wurde“, sagt Peter Poleacov. „So wird den Marktakteuren noch einmal deutlicher, welche Pflichten sie mit einzelnen Klauseln übernehmen.“ Gerade vor dem Hintergrund, dass die Klauseln ein wichtiger Bestandteil von internationalen Lieferverträgen sind, sei das umso wichtiger, unter anderem da sie eine klare Risikozuordnung vorsehen, die in der Praxis viele Konflikte vermeiden kann.

Rund 500 Experten aus über 40 Ländern haben an den Incoterms® 2020 mitgewirkt, über 3.000 Kommentare von Marktakteuren weltweit wurden ausgewertet und sind je nach Relevanz in das Werk eingeflossen. „Denn ein internationaler Standard funktioniert ja nur dann, wenn er tatsächlich dem jeweils eigenen Anspruch der Nutzer gerecht wird“, erläutert Poleacov. Positiv wertet der Fachanwalt auch, dass die Incoterms® 2020 in deutlich mehr Sprachen übersetzt wurden als in der Vergangenheit. Außerdem hat die ICC dafür gesorgt, dass durch Schulungen und Train-the-Trainer-Lehrgänge die neuen Incoterms® 2020 besser und schneller bei den Endanwendern ankommen. Zudem gibt es das Handbuch auch als E-Book und es wird in Ländern mit geringer Kaufkraft auch zu einem besonders günstigen Preis angeboten.

Spielregeln ermöglichen erfolgreiche Zusammenarbeit

Was laut Peter Poleacov im Umgang mit den Herausforderungen vor allem hilft ist, das Handbuch wirklich gründlich zu studieren und immer wieder zur Hand zu nehmen, um konkrete Passagen nachzulesen: „Die Spielregeln müssen bekannt sein.“ Das sei auch entscheidend für eine erfolgreiche internationale Zusammenarbeit: „Der große Vorteil, der in diesem Regelwerk liegt, ist ja, dass ich erwarten kann, dass mein Vertragspartner das gleiche Verständnis hat. Deswegen muss man sich sehr diszipliniert an dem Handbuch orientieren – weil es die einzige offizielle und verlässliche Quelle ist.“ Weiterhin empfiehlt der Experte für internationale Verträge eine enge Abstimmung zwischen den verschiedenen Fachabteilungen im eigenen Unternehmen – und eine zuverlässige Abstimmung mit externen Dienstleistern wie Banken, Versicherungen, Rechtsberatern, Steuerberatern oder Transporteuren. „Ich rate außerdem dazu, dass sich Unternehmen die nötigen Informationen zu den Ländern einholen, in die sie exportieren oder aus denen sie importieren. Sie sollten sich beraten lassen, um hier die gesetzlichen Vorgaben genau zu kennen.“

Wenn man die Praxishinweise von Peter Poleacov ernst nimmt, kann man unter anderem davon profitieren, indem man Zeit spart beim Abschluss von Verträgen: „Wer wirklich sicher mit den Klauseln umgeht, kann effizient und rechtssicher zum Ausdruck bringen, was vereinbart wird. Das bedeutet schlicht und ergreifend schnellere Geschäftsabschlüsse und mehr Rechtssicherheit, weil die Vertragsparteien sich auf einen Standard geeinigt haben, der definiert ist.“ Mögliche Diskussionen werden reduziert und es gibt weniger unkalkulierbare Risiken: „Ich übernehme mit einem Vertrag Risiken, aber an Hand des Handbuchs kann ich diese sicher identifizieren und eine bewusste Entscheidung treffen.“

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