Neue Wege sicher gehen

Als Länderberater Nordamerika für die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern unterstützt Jens Triebess Unternehmen beim Handel mit den USA. Er erklärt, wie die Incoterms® richtig angewendet werden, um optimal zu arbeiten und Konflikte zu vermeiden.
„Wie weit möchten Sie gehen?“, ist die Frage, die Jens Triebess den Unternehmen, die sich an ihn wenden, am häufigsten stellt. Er ist bei der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern als Länderberater Nordamerika tätig und berät im Bereich International, Industrie und Innovation zu den Incoterms. Triebess unterstützt Unternehmen in allen Fragen zu den Incoterms „Der Handel, ob national oder international, ist für Deutschland ein elementarer Wirtschaftsfaktor“, erklärt er. „Ein Regelwerk wie die Incoterms, das weltweit gültig ist und nur mithilfe von drei Buchstaben schon genau definiert, bis zu welchem Ort welche Kosten und Risiken einer Lieferung zu tragen sind, stellt da eine enorme Erleichterung dar und kann die Arbeitsprozesse der beteiligten Unternehmen optimieren.“

Markteintritt begleiten

So nehmen beispielsweise Unternehmen zu ihm Kontakt auf, wenn sie vermehrt Anfragen von Kunden aus den USA bekommen und deshalb darüber nachdenken, dorthin Ware zu exportieren. „Sie möchten dann meist wissen, wie sie so einen Markteintritt bewerkstelligen können“, so Triebess. „Der Bedarf reicht hierbei von allgemeinen Informationen bis zu sehr detaillierten Fragen, etwa zu Zollgebühren.“ Die Begleitung der Unternehmen in der Beratung erfolgt sehr individuell: „Manchmal reicht ein Gespräch völlig aus. Teilweise bleiben wir auch länger in Kontakt; die Firmen kommen gegebenenfalls zu Informationsveranstaltungen, die wir ausrichten, oder wir laden sie gezielt ein. Derzeit besucht beispielsweise eine US-Delegation unser Haus. Zudem arbeiten wir mit unseren Auslandshandelskammern zusammen – da können wir ein flächendeckendes Netz anbieten. Die Beratung hängt auch von Faktoren wie der Unternehmensgröße ab; kleine und mittelständische Betriebe haben in der Regel andere Anforderungen als größere Unternehmen.“

Jeder Markt hat seine Besonderheiten

Die Incoterms kommen in den Gesprächen fast jedes Mal und dann auch recht schnell zur Sprache: „Wir fragen dann, ob es schon Pläne zu den Lieferbedingungen gibt und wie weit die Unternehmen da gehen wollen“, so Triebess. „Hier besprechen wir insbesondere, wie stark die Exportabteilung schon aufgestellt ist und ob dort das nötige Know-how bereits vorhanden ist. Sodann kann man gemeinsam ermitteln, wie weit der Wechsel des Gefahrenbereichs gehen kann, also inwieweit die Kosten übernommen werden können und das Unternehmen Risiken tragen will.“ Dabei ist es erst einmal nebensächlich, ob die Ware nach China geht, in die USA oder nach Afrika – bei den Lieferbedingungen spielt das Zielland zunächst keine Rolle. Aber jeder Markt hat dennoch seine Besonderheiten.

Registrierungen bereits in Deutschland

In den USA wird zum Beispiel bei jedem Zollvorgang ein sogenannter Zollagent aktiv. Das ist verpflichtend – ohne diesen Agenten kann man nichts einführen. „Das sind wichtige Details, auf die wir natürlich hinweisen.“ Die spezifischen Anforderungen sind auch von der Warenart abhängig, etwa wenn die Registrierung bei einer Institution mit direkter Verbindung zum Zoll nötig ist, beispielsweise bei der Food and Drug Administration (FDA). „Wenn man Nahrungsmittel, Kosmetika, Tiernahrung oder auch Medikamente nach Amerika exportieren möchte oder als deutsches Unternehmen dort in diesen Branchen tätig werden will, gibt es Registrierungen, die bereits in Deutschland erfolgen müssen und mitunter sehr aufwendig sind“, so Triebess. „Wenn man nun ein Geschäft per DDP-Klausel anbietet, dieses bei der FDA aber nicht registriert wurde, führt das zu Problemen: Die Ware wird nicht ins Land gelassen. Das kann zu Lieferverzug führen und zusätzliche Kosten und Arbeit für das liefernde Unternehmen verursachen.“

Unterstützung in Konfliktfällen

Jens Triebess wird auch in solchen Streitfällen um Rat gebeten: „Wir können gemeinsam analysieren, wie es dazu kam und wie man den vertraglichen Rahmen zukünftig optimieren kann. Meiner Erfahrung nach wird beispielsweise der minimal verpflichtenden Klausel Ex Works (EXW) oder auch der maximal verpflichtenden Bedingungen laut DDP oftmals zu schnell zugestimmt.“ Dies geschieht zum Beispiel dann, wenn ein Unternehmen einen neuen Geschäftspartner in China hat, das Risiko bei der Lieferung so gering wie möglich halten möchte und demnach EXW wählt. „Das ist auch grundsätzlich korrekt“, so Triebess, „doch die Klausel sieht vor, dass die Ware für den Kunden zum Abholen bereitgestellt werden muss. Chinesische Kunden können aber meistens gar nicht die Formalitäten in Deutschland übernehmen, die für die Ausfuhr nötig sind, und damit fällt die Verantwortung automatisch auf den Verkäufer zurück.“

Prozesse vorher genau abschätzen

Genau andersherum sehe es bei DDP-Lieferungen aus, so Triebess: „Gerade wenn man einen Kunden neu gewonnen hat, will man sich von seiner besten Seite zeigen. Und mit dem traditionell hohen Anspruch an Serviceorientierung in Deutschland wird da schnell gesagt, dass Delivered Duty Paid (geliefert verzollt) angeboten wird.“ Das kann jedoch bedeuten, dass die Verzollung in den USA mitübernommen werden muss, und provoziert damit neue Fragestellungen: Darf man als ausländisches Unternehmen das in einem fremden Land überhaupt tun? Tatsächlich sind die USA eines der wenigen Lieferziele, in denen auch ein Ausländer eine Importverzollung übernehmen kann. Aber wie werden die Steuern und Abgaben abgeführt? „Oftmals wird schnell klar, dass der Prozess aufwendiger als gedacht und vielleicht gar nicht stemmbar ist.“ So eine Situation kann mit profundem Wissen zu den Incoterms vermieden werden: „Man muss wirklich immer individuell entscheiden, was für die jeweilige Situation der beste Weg ist.“

Kompetente Partner kontaktieren

Deshalb hält er es auch für wichtig, dass sich die Menschen, die mit den Incoterms arbeiten, bei Unsicherheiten oder offenen Fragen direkt an einen kompetenten Partner wenden: „Unklare Punkte lassen sich meist schnell klären, und das gibt dann wieder mehr Sicherheit im weiteren Umgang mit den Regeln. Die Incoterms sind sehr genau formuliert und auch sehr umfangreich gehalten. Dennoch gibt es oftmals Beratungsbedarf, weil man die Regeln sehr genau lesen muss, um sie wirklich zu erfassen. Gleichzeitig müssen immer wieder Kleinigkeiten noch separat vereinbart werden, weil dieses Buch einfach nicht alles, was im Handel passiert, ganz genau festlegen kann.“ Zum Beispiel betreffe dies das Thema Entladung: „Die ist oftmals klar definiert. Teilweise gibt es aber auch den Hinweis, dass eine Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien stattfinden muss, um die Kosten und Risiken einer Entladung zu klären.“

Entscheidungsspielräume nutzen

Triebess hat die Erfahrung gemacht, dass oftmals einem Unternehmen die falsche Anwendung einer Incoterms-Klausel erst dann bewusst wird, wenn es zum Streitfall kommt. „Das sollte man natürlich vermeiden, und es ist unser erklärtes Ziel als IHK, die Unternehmen dabei zu unterstützen, dass solche Konflikte gar nicht erst auftreten. Dazu sollte man sich vorab bewusst sein, welche Risiken und Kosten man tragen kann und will, und die Verträge entsprechend gestalten.“ Immer vorausgesetzt, dass es diesen Entscheidungsspielraum überhaupt gibt: „Wenn es keinen Spielraum gibt, weil beispielsweise ein Neukunde klare Forderungen stellt, kann man aber dennoch genau schauen, was das bedeutet und worauf man sich eventuell vorbereiten muss. Die Unternehmen, die wir beraten, sind in der Regel sehr dankbar, dass sie eine Art roten Faden von ums in die Hand bekommen und damit wissen, worauf sie achten sollten.“

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