Digitale und reale Netzwerke nutzen

Julia Miosga, Bereichsleiterin Handel und Logistik beim Digitalverband Bitkom e.V., erläutert die Potenziale und Herausforderungen, vor denen erfahrene Unternehmer und Start-ups im Handel stehen.

Der Handel boomt, vor allem durch Digitalisierung und E-Commerce vorangetrieben. Wo sehen Sie trotzdem noch Potenziale?

Ich glaube, dass gerade für stationäre Händler im Onlinehandel europaweit und weltweit noch deutlich mehr Möglichkeiten liegen. Es gibt viele kleine stationäre Händler und beispielsweise auch Handwerker, die es schaffen, ihren Umsatz durch Onlinehandel deutlich zu steigern, indem sie zum Beispiel auch auf dem internationalen Markt verkaufen. Das zeigt, dass man nicht mehr so stark nur auf Laufkundschaft angewiesen ist, sondern sein Schaufenster sozusagen ins Internet verlagern und dort eine deutlich größere Kundengruppe erreichen kann.

Besonders spannend finde ich persönlich dabei Unternehmen, die sich sozialen und ökologischen Themen widmen und mehrere Kanäle nutzen: SIRPLUS ist ein Beispiel für so ein Social Impact Start-up. Die Gründer setzen sich gegen Lebensmittelverschwendung ein und verkaufen Lebensmittel, die unter anderem in Supermärkten aussortiert wurden – etwa krummes Gemüse, das dort nicht den Kunden angeboten wird. SIRPLUS hat eigene Märkte und einen Onlineshop. Das Team ist zudem in den sozialen Medien sehr aktiv und macht dort nicht nur Werbung für Produkte, sondern informiert auch über Themen wie Lebensmittelverschwendung.

Es sind also ganzheitliche Konzepte gefragt?

Ja, ich denke, Konzepte haben gute Erfolgschancen, die nicht nur unbedingt logischen Parametern folgt, sondern tatsächlich sinnstiftend sind. Also wenn man schaut: Wer ist tatsächlich meine Kundengruppe? Wen möchte ich noch zusätzlich als Kunden gewinnen, und auf welchen Wegen ist das machbar? Dadurch baue ich natürlich auch mein Portfolio als Händler aus. So habe ich vielleicht auch andere Kooperationsmöglichkeiten mit dem Mittelstand oder mit Großkonzernen, die sich auch alle orientieren und schauen, wo es noch hingehen kann – vor allem mit Unterstützung digitaler Geschäftsmodelle. Das bedingt sich ja immer gegenseitig. Ich glaube, dass es ein Zukunftsmodell sein wird, wenn man über den eigenen Tellerrand hinausschaut. Das wird in neuen Wirtschaftsformen münden – so hat Wirtschaft auch bisher schon immer funktioniert. Es hat immer neue Erfindungen gegeben, und daraus hat sich dann gegebenenfalls auch eine neue Wirtschaftsform entwickelt. Es ist ein Evolutionsprozess, der durch die Digitalisierung nochmal beschleunigt wird.

Welche Entwicklungen sehen Sie noch?

Ich glaube, es ist wichtig, in digitalen und realen Netzwerken zu denken: Das schließt dezentrale Plattformen, Cloud-Computing oder künstliche Intelligenz ein, aber natürlich auch Netzwerke auf zwischenmenschlicher Ebene oder unter Geschäftspartnern. Wir denken als Menschen gern in unseren angestammten Mustern und bewegen uns bisweilen in einer Blase. Unternehmer sollten dies bewusst durchbrechen und ab und zu ganz neu auf ihre Geschäftspartner, ihre Handelspartner und auf andere Branchen schauen. Wer sich vom Silodenken löst, kann mit neuen Technologien Kontakte hinzugewinnen und sein persönliches Netzwerk im Arbeitsumfeld erweitern. Anknüpfungspunkte findet man unter anderem über Verbände und Konferenzen; das sind ja ganz reale Netzwerkplattformen.

Vor welchen Herausforderungen steht der Handel?

Die Abwicklung von Retouren bleibt ein wichtiges Thema. Es wird immer mehr online bestellt, auch von stationären Händlern. Um die entsprechenden Retouren besser in den Griff zu bekommen, werden neue Technologien erprobt, zum Beispiel künstliche Intelligenz. Des Weiteren ist Agilität ein wichtiges Stichwort: Um als internationales Handelsunternehmen erfolgreich zu sein, muss ich beweglich bleiben, um flexibel auf die Nachfrage zu reagieren. Im B2B-Bereich heißt das, dass ich durchdenke, was meine Geschäftspartner oder Kunden von mir erwarten; im B2C-Bereich gilt natürlich dasselbe für die Anforderungen der Konsumenten.

Wie schätzen Sie die Infrastruktur für Start-ups ein? Wie gut sind diese mit Informationen versorgt – auch zu rechtlichen Themen?

Ich glaube, hier in Berlin kann man mittlerweile wahrscheinlich jeden Abend auf eine Veranstaltung gehen, bei der man sich als Gründerin oder Gründer informieren kann. Das Angebot ist also inzwischen wirklich groß. Vor allem gibt es viele Fördergremien oder Plattformen für Angel-Investoren – vom Ein-Mann-Betrieb bis hin zu großen internationalen Playern. In Deutschland hat beispielsweise Media Markt gemeinsam mit der Initiative „Plug and Play“ den Retailtech-Hub gegründet, der jungen Unternehmen Büroplätze, Mentoring, Workshops, Kapital und Zugang zu einem europäischen Handelsnetzwerk bietet. Der „Axel Springer Plug and Play Accelerator“ wiederum bietet Start-ups die Möglichkeit, sehr einfach an Informationen zu kommen und sich auch unabhängig beraten zu lassen. Darüber hinaus übernehmen natürlich auch Anwälte, die den Handel beraten, diese Aufgabe. Vor allem, wenn man einen Onlineshop plant oder eine App anbieten will, sollte man sich vorher natürlich unbedingt über die rechtlichen Bedingungen informieren.

Wo liegen die größten Hürden?

Jedes Start-up, jeder Gründer und jede Gründerin ist anders. Und dazu kommt: Auch wenn der Rechtsrahmen in Europa immer mehr harmonisiert wird, gibt es natürlich noch länderspezifische Rechtsprechungen und Gesetzgebungen. Daher sollte man sich auf jeden Fall vorher darüber informieren, was jeweils zu beachten ist. Wenn man in Deutschland einen Onlineshop eröffnet, muss man zum Beispiel auf ein Impressum achten und dabei klare Richtlinien einhalten, wie dieses Impressum aufgebaut ist. Bei den AGBs gibt es auch Unterschiede zu anderen Ländern wie Frankreich, Polen oder Italien. All das sind Punkte, die man individuell und rechtssicher klären muss.

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